Der Keller

von Sophia Krämer und Nathalie Hans
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Ausgehend von einem bestimmten Erfahrungsschatz, den jeder Mensch in seinem Leben gesammelt hat wollen wir das irritierende des Raumes weiter in den Vordergrund stellen.

Die hohe Anzahl der Türen in dem Raum, der anscheinend nur für diese Türen gemacht ist, wirkt verwirrend.

Diese Irritation gilt es zu verstärken.

 

Ort

Ein Gefüge, gefasst durch sichtbare und/oder unsichtbare Grenzen. Die Wahrnehmung erfolgt direkt oder indirekt. Jeder Ort hat eine bestimmte Dimension ist aber nicht in seiner Dimension bestimmt. Ortsspezifische Charakteristika definieren einen Ort und machen Ihn individuell.

Unort

Ein Ort kann auch ein Unort sein. Er wird entgegen seinem Potenzial genutzt. So werden die negativen Eigenschaften des Ortes in den Vordergrund gestellt. Dieser negative Einfluss macht einen Unort zu einem Angstraum. Diese Auslegung ist aber immer individuell.

 

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James Turrell beschreibt in diesem Auszug ganz wesentliche Wahrnehmungsgrundlagen. Seine Kunst soll nicht ihn sondern jeden ansprechen. Und dieses am besten individuell. Jeder Mensch nimmt visuelle aber auch audiovisuelle und haptische Empfindungen individuell wahr. Die Wahrnehmung jedes Menschen wird über die von Aristoteles definierten Sinne: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen[1] gesteuert.

Das Sehen von beispielsweise Farben, Belichtung und Objekte übernehmen die Augen. Die Wahrnehmung von Geräuschen durch unterschiedliche Luftdrücke geschieht in den Ohren. Geruch wird in der Nase wahrgenommen und Geschmacke nimmt der Mensch über die Zunge und ihre Geschmacksrezeptoren im Mund wahr. Über das größte Organ des Menschen, die Haut, wird jede Wahrnehmung von Hitze, Kälte und Haptik abgedeckt.

Der individuelle Aspekt der Wahrnehmung ist in den Referenzen und Erinnerungen des Menschen eingebettet. Nicht Jeder Mensch sieht das Rot als das Rot, hört das Geräusch als das Geräusch, riecht den Geruch als den Geruch, schmeckt den Geschmack als den Geschmack und fühlt das Fühlen als das Fühlen.

Wahrnehmung kann jedoch manipuliert werden. Das Phänomen von optischen Täuschungen oder aber anderen Sinnestäuschungen geschieht im Gehirn. Dafür sind ebenfalls die Erfahrungen, Referenzen und Erinnerungen des Menschen diejenigen Operatoren, die die Wahrnehmung täuschen. Da Erfahrungen, Referenzen und Erinnerungen individuell sind, ist auch die Wahrnehmung der Täuschungen individuell. Trotzdem nimmt jeder Mensch die Täuschung als ebendiese wahr. Dies ist ein grundlegender Aspekt der Wahrnehmung. Alles ist individuell wahrnehmbar, aber alle nehmen dasselbe wahr. Es ist eben dieser Wiederspruch, der Wahrnehmung als Kunstobjekt interessant macht und eine gewisse Irritation hervorruft.

[1] Aristoteles, [oJ], De Anima, II, 5

Der Ablauf von Wahrnehmung architektonischer Orte ganz allgemein ist mit Vorstellungen von Vergangenem und Zukünftigem aufgeladen, er führt uns nicht nur gebaute Dinge, sondern theaterhafte Szenerien vor Augen, Phänomene mit Raum-Zeit-Struktur. 

Wolfgang Meisenheimer – Das Denken des Leibes (S.33_Die Gesten Hier! und Dort! Das Setzen der Orte)

Wolfgang Meisenheimer schreibt über Architektur wie über ein Musikstück. Formen und Materialen der Bauwerke regen den Nutzer zum Tanz an. Jeder Tänzer interpretiert das Stück anders, formt und verändert es. Die Atmosphäre – der Charakter des Stückes erhält eine persönliche Note.

Es gibt Räume deren Gestaltung suggeriert eine bestimmte Nutzung, der Mensch weiß sich in dem Raum zurecht zu finden, nutzt ihn auf die gedachte Weise. Das Szenenbild wurde bereits gestaltet und die Akteure nutzen es dementsprechend. Sie tanzen den Tanz des Choreographen, immer ein bisschen auf die eigene Art, aber doch im Takt.

Es gibt wiederum Räume deren Nutzung ist unklar, sie wird erst durch den Nutzer selbst definiert und ausgestaltet. So werden beispielsweise Zimmer in Wohnungen zu sehr persönlichen architektonischen Orten. Der Nutzer hinterlässt seine Spuren und entwickelt ein gewisses Gefühl, dass mit diesem Raum einhergeht. So werden Zimmer zu Wohn-, Schlaf- oder Kinderzimmern. Dieses Raumgefühl zeigt sich dann auch für andere Nutzer oder Besucher des Raumes. Er hat eine bestimmte Atmosphäre.

Das Erleben des Raumes ist neben dem gebauten Ort auch von den Erfahrungen der Nutzer abhängig. Erfahrungen prägen und lassen uns bestimmte Dinge vorausahnen. Erfahrungen hegen Erwartungen. So lernt ein jeder Mensch wie man Treppen geht, wie man sich über einen öffentlichen Platz bewegt und auch welche Handlung notwendig ist um durch Türen zu gehen.

Diese Handlungen erfolgen mitunter instinktiv, unbewusst, beiläufig. Die Räume werden so gestaltet, dass ein Fluss entsteht, der Nutzer gleitet unmerklich hindurch. Doch was passiert wenn eine Treppenstufe aus dem Tritt fällt, ein Fenster kleiner als erwartet ist, ein Raum größer als erhofft und eine Tür verschlossen? Plötzlich erfordert das selbstverständliche Aufmerksamkeit. Es muss hinterfragt werden. Es erfordert umdenken. Eine Irritation entsteht.

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