» Ich fühle mich wie 14 und sehe aus wie 30. «

Ein Interview von Joelle Hage
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Charly Hoffmann gilt mit 24 Jahren rechtlich gesehen als ein „Erwachsener“. Doch was bedeutet das überhaupt: erwachsen sein? Ab wann ist man überhaupt erwachsen und warum? Das große Mysterium „Erwachsensein“ beschäftigt so gut wie jeden Menschen. Die einen wollen es sein andere wollen es nicht mehr sein. Aber warum? Darüber wollen wir heute reden.

 

Joelle Hage: Heute ist Sonntag und du sitzt schon den ganzen Tag in der Uni und bist am arbeiten?

Charly Hoffmann: An dieser Uni spielen die Wochentage nicht so wirklich eine Rolle. Wenn man gerade etwas zu tun hat, muss das bis da und dahin erledigt sein und es ist egal ob es Sonntag ist oder Wochenende oder ein Feiertag. Ich musste heute Arbeiten, weil ich noch sehr viel zu erledigen habe. Heute musste ich an einen Vortrag für die Uni schreiben, parallel dann noch die Projekte betreuen, die gerade in der Postproduktion sind – das ist auch Sonntags, das ist auch Nachts, das ist auch immer.

Hage: Also bleibt nebenbei nicht viel Zeit zum Geldverdienen?

Hoffmann: Geldverdienen tut man nur über externe Projekte. Mit der Uni verdient man kein Geld, für die Uni zahlt man Geld. Aber die externen Projekte kommen anscheinend irgendwie. Also letzte Woche habe ich zwei Tage am Wochenende bei einem Dreh gearbeitet und auch etwas Geld verdient.

Hage: Aber zum Leben reicht das nicht?

Hoffmann: Nein, zum Leben kann das nicht reichen. Dann müsste so ein Projekt schon jede Woche kommen und dann hätte man gar keine Wochenenden mehr, um auch mal etwas zu entspannen.

Hage: Und wer finanziert dich?

Hoffmann: Tatsächlich meine Eltern – mich finanzieren meine Eltern momentan und ich bin denen auch sehr dankbar dafür. Zumal ich es im Moment auch einfach nicht schaffe zu arbeiten. Ich würde gerne arbeiten, weil ich es hasse von meinen Eltern Geld zu nehmen.

Hage: Wieso?

Hoffmann: Weil ich nichts dafür bringe. Ich nehme denen das Geld aus der Tasche und bringe keine Gegenleistung. Irgendwie fällt mir das unglaublich schwer. Aber im Moment ist das halt irgendwie nicht anders möglich.

Hage: Seit wann fällt es dir schwer, Geld von deinen Eltern anzunehmen?

Hoffmann: Das ist schwer zu sagen. Es gab mal eine Zeit, da habe ich gar kein Geld von denen bekommen, weil ich selber so viel gearbeitet habe und genug Geld zum Leben hatte. Und wenn man dann wieder zurückfällt in dieses Muster und wieder subventioniert wird, ist das irgendwie schwierig. Aber ich würde sagen, wahrscheinlich so seit dem ich 18 bin, nach dem Abi fällt es mir schwerer. Das

war so die Zeit, in der ich dachte, dass ich jetzt auf meinen eigenen Füßen stehen und unabhängig werden will.

Hage: Wie lange studierst du noch?

Hoffmann: Noch drei Jahre. 2018 mache ich meinen Abschluss . Das ist noch eine lange Zeit, die ich mich finanzieren muss.

Hage: Die deine Eltern dich finanzieren müssen.

Hoffmann: Ja… genau das.

Hage: Inwiefern hängt finanzielle Unabhängigkeit für dich mit dem Erwachsen werden zusammen?

Hoffmann: Naja es geht ja nicht nur um die finanzielle Unabhängigkeit, es geht ja um die gesamte Unabhängigkeit. Irgendwie gehört es für mich zum Erwachsen sein dazu, dass man sich um sich selber kümmern kann. Natürlich gibt es Sonderfälle, wenn man besonders krank ist oder so, aber auf eigenen Beinen zu stehen, das ist für mich das Erwachsen sein. Ich weiß auch nicht, ob ich jetzt schon erwachsen bin. Mit 24? Keine Ahnung. Ich fühle mich wie 14 und sehe aus wie 30.

Hage: Ich fühle mich wie 30 und sehe aus wie 14.

Hoffmann: Das ist doch auch schön.

Hage: Nein…

Hoffmann: Aber irgendwie ist Unabhängigkeit wirklich ein ganz großes Teil vom Erwachsen werden. Also auf jeden Fall einer der Sachen, die erstrebenswert sind. Als Erwachsener ist man frei, man ist sein eigener Herr, aber diese Freiheit muss man auch rechtfertigen können, in dem man sich von allen Anderen unabhängig macht. Man kann ja nicht die ganze Zeit sagen: “ Ich kann jetzt machen was ich will, aber ich nehme dein Geld dafür“.

Hage: Da hast du natürlich recht. Wohnst du denn noch zuhause?

Hoffmann: Ich wohne wieder Zuhause, ja. Ich habe heute noch lange Pläne geschmiedet wie ich wann rauskomme – mit Mama und Papa zusammen.

Hage: Also wollen die, das du ausziehst?

Hoffmann: Nein, die haben nichts dagegen, dass ich bei denen wohne. Es ist jetzt auch nicht so als würde ich als Kind da wohnen, sondern eher als Erwachsener in einer Gemeinschaft. Ich habe alle Freiräume die ich will, aber trotzdem ist es noch bei Mama und Papa wohnen.

Hage: Also ist das für dich auch noch ein wichtiger Schritt zum Erwachsen werden?

Hoffmann: Ja, das gehört auf jeden Fall noch dazu. Es ist besonders schwierig, wenn man schon mal weg war und dann wieder zurückgezogen ist. Wenn man einmal diese Freiheit geschmeckt hat und dann wieder abhängig wird. Es ist zwar unheimlich gemütlich zuhause, aber trotzdem nicht mehr das richtige. Es gibt da viele Vor- und Nachteile.

Hage: Hast du das Gefühl, dass dich andere Menschen erwachsen behandeln?

Hoffmann: Ja, auf jeden Fall. Ich glaube Erwachsen sein geht mit einem gewissen Alter einher. Allein das Äußerliche… Wenn ich irgendwo bin, werde ich natürlich nicht mehr wie ein Kind behandelt. Es ist egal wie verquert man dann im Kopf ist….wobei vielleicht hast du auch recht. Es gibt bestimmt ein paar Freunde, die mich anders kennen und behaupten, dass ich noch ein ziemliches Kinde bin.

Hage: Hast du denn noch kindliche Seiten an dir?

Hoffmann: Ja mega. Klar! Ich habe eine gewisse Affinität zu alten Videospielen, die mich an meine Kindheit erinnern. Ich bin eh so ein Spiele Typ. Aber mein Vater ist das zum Beispiel auch. Ich glaube halt, dass Erwachsen werden viel mit Verantwortung übernehmen zu tun hat. Der Rest, Kind sein kann man doch eigentlich immer. Da ist doch auch nichts falsches dran, oder?

Hage: Behandeln deine Eltern dich erwachsen?

Hoffmann: Ja, auf jeden Fall. Meine Eltern erwarten von mir Dinge, die ich früher nicht hätte leisten müssen. Sie ziehen mich auch viel mehr in Verantwortungen mit rein, aus denen ich früher rausgehalten wurde.

Hage: Belastet dich das?

Hoffmann: Nee, überhaupt nicht. Ich finde es eher angenehm. Ich bin dadurch ein gleichgestellter Teil der Familie. Als Kind hat man immer diesen Sonderstatus und dieser Sonderstatus ist jetzt zurecht schon vorbei. Mein Bruder und ich, wir sind beide Erwachsen und so werden wir auch behandelt.

Hage: Also hättest du nicht nochmal Lust ein kleines Kind zu sein und keine Sorgen zu haben?

Hoffmann: Ich hätte super Bock nochmal in den Kindergarten und in die Grundschule zu gehen, klar! Aber ich hätte heutzutage wirklich keine Lust nochmal wie ein Kindergartenkind behandelt zu werden. Ich glaube, das wäre eine Folter. Wobei es mir unheimlich schwer fällt, meinen kleinen Bruder Erwachsen zu behandeln. Mein kleiner Bruder, bleibt mein kleiner Bruder. Obwohl er inzwischen 20 Jahre alt ist, kann ich ihn einfach nicht so behandeln, wie ich gerne mit 20 behandelt werden würde. Das ist total komisch, aber irgendwie kann ich es nicht akzeptieren, dass er auch Erwachsen ist.

Hage: Ja, das kenne ich auch gut. Hängt für dich Ehe und Kinderkriegen auch mit dem Erwachsen werden zusammen?

Hoffmann: Ja, das tut es schon, aber ich finde, dass man dafür auch wirklich bereit sein sollte. Es ist eine sehr große Verantwortung. Für mich ist das einer der letzten Schritte des Erwachsen werden und ich sehe beides noch sehr sehr weit weg. Deshalb denke ich auch immer so, dass ich vielleicht doch noch gar nicht so erwachsen bin. Ich bin schon noch so ein Kind.

Hage: Glaubst du, dass es mit der Ehe und dem Kinderkriegen dann im Leben bergab geh?

Hoffmann: Nein, überhaupt nicht. Ich glaube, es geht nicht bergauf und es geht nicht bergab, man nimmt einfach eine Rechtsabbiegung.

 

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