Kurt Lewin – Kriegslandschaft

Hügel und Tal,
Die Grenze der Gegend,
rauchiger Stahl
verblichen im Nebel.

Die Landschaft formt den Raum,
obgleich das Erlebte
Ersichtlich scheint
oder doch in weiter Ferne bleibt.

Ein Gegenstand
in Frieden ummantelt,
bleibt doch ein Leben lang
im Gefecht verankert.

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Einer der Hauptvertreter der anglophonen phänomenologischen Strömung ist Kurt Lewin. Unter anderen war Lewin eine
der zentralen Figuren die zur Etablierung eines eigenständigen topologischen Zugangs zur Raumproblematik auf
verhaltenswissenschaftlicher Grundlage beigetragen haben. Die vorliegende Arbeit von Lewin beschreibt in
ausgesprochener Praxisnähe die grundlegenden theoretischen Gedanken Lewins.
Lewin beginnt seine – zumindest bis man einen ersten Einblick gewonnen hat – nicht immer ganz unkomplizierten
Ausführungen mit der begrifflichen Trennung zwischen „Raumgestalt“ und „Flächengestalt“. Was er damit genau meint
verdeutlicht Lewin am Beispiel eines Hügels in der Landschaft. Zentral ist bei der Unterscheidung dieser beiden Begriffe
die Vorstellung. Mit der Vorstellung meint nun Lewin, das der Wahrnehmung vorgelagerte ontologische „Vorverständnis“
einer Betrachtung. Die phänomenologische Wirklichkeit eines Hügels ist somit grundlegend von der Vorstellung des
Betrachters abhängig: Insofern ist „das Sehen des Flächenhügels […] kein Wahrnehmen, sondern eine Vorstellung“.
Die Frage, wie sich nun die Vorstellung selbst derart unterschiedlich konstituieren kann, ist das zentrale Erklärungsziel des
vorliegenden Textes. Lewin versucht durch seine eigenen Erfahrungen als Feldartillerist im Ersten Weltkrieg seine
Raumzugänge im Sinne der verhaltenswissenschaftlichen Strömung zu erklären.
Parallel zur Grenzzone identifiziert Lewin aufgrund seiner Kriegserfahrungen auch eine Gefahrenzone. Diese
Gefahrenzonenvorstellung setzt später ein als der Grenzcharakter der Gegend, der sich schon von weither kontinuierlich
im progressiven Tempo verstärkt. Gefahrenzonen jedoch verdichten sich zu fixierten Örtlichkeiten, die aufgrund der
eigenen Erfahrungen mit bestimmten Situationen zustande kommen .
Der Text Kriegslandschaft verdeutlicht auf sehr anschauliche, eindringliche und vor allem auch verständliche Art und Weise
den theoretischen Raumzugang von Lewin. Die von Erfahrung determinierte Vorstellungsgrundlage der
verhaltenswissenschaftlichen Raumerklärung ist ein ausgesprochen spannender Zugang zum phänomenologischen
Diskurs der Begrifflichkeit Raum. Nicht zuletzt, weil dieser Zugang durch einfache, selbst anstellbare
Gedankenexperimente in den eigenen Alltagsempfindungen leicht nachvollziehbar ist. Als Beispiel denke man nur an
die perzeptionelle Räumlichkeitsveränderung, die auftritt sobald man ein Auto in Betrieb setzt: Grenzen und
Räumlichkeitszuschreibungen verändern sich als Verkehrsteilnehmer fundamental – Grenzen entstehen, verändern sich;
Gefahrenzonen werden erfahrbar und räumlich.

von Danilo Ristovski und Fabio Burghardt

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