GRENZEN

von Elisa Kania und Eva Zimmermanns
 
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Ursprünglich definierten sich Städte durch ihre klaren Grenzen, die durch Mauern spürbar waren und gleichzeitig als undurchdringbar galten.
Im Laufe der Zeit verloren diese an Notwendigkeit, da Sie nicht mehr zum Schutz benötigt wurden. Dies ermöglichte eine Ausbreitung der Vorstädte, wodurch das menschliche
Empfinden, ab wann man sich in einer Stadt befindet, mehr und mehr verschwand.
Durch die Industrialisierung erweiterten sich auch die Handelswege.
Die Revolution des Transportwesens trug durch das ständige Durchqueren der städtischen Grenzen ebenfalls zu deren Auflösung bei.

Von nun an verloren gegenständliche Hindernisse und zeitliche Distanzen an Relevanz.
Ab Ende des 20. Jhd. wurden diese Verkehrswege zunehmend durch die Datenübertragung der Kommunikationsmedien ersetzt.
Diese legt sich wie ein riesiges Netz über die Welt und transportiert vermeintlich alles ohne die Notwendigkeit es selbst zu bewegen.
Mit der Veränderung der Städte verändert sich auch der Kleinraum.
Die ursprüngliche Aufgabe des Raums bestand darin, Platz für die Positionierung von Objekten Innerhalb zu bieten.
Ihre Dreidimensionalität verhindert ein Überlagerung und ordnet so jedem Objekt seinen individuellen Platz zu.
Durch die modernen Medien werden die Objekte in einem virtuellen Raum platziert.
Dieser ist nicht sichtbar und man kann von überall auf ihn zugreifen.
Alles kann im selben Augenblick überall sein.
Räumliche sowie zeitliche Distanzen und Geschwindigkeit spielen keine Rolle mehr.
Die physikalische Dimension der Objekte löst sich sozusagen auf.
Hiermit verschwinden Positionsunterschiede und die Überlagerung kann langfristig zu Verschmelzungen und Verwirrung führen.
Somit geht die Funktion der Grenze durch Überschneidungen verloren.
Mit der Veränderung des Raumes verändert sich auch dessen Zugang.
Ein Raum mit Mauern als Grenzen benötigt einen klaren Zugang.
Dieser hat durch seine Einzigartigkeit eine besondere Bedeutung.
Das Öffnen des Zugangs am Beispiel eines Stadttors hat eine zeremonielle Bedeutung.
Im Gegensatz dazu bringt ein Raum, welcher ein Datennetz als Grenze hat, unzählige Öffnungen hervor.
Diese sind zwar weniger offensichtlich, jedoch genauso trennend.
Das falsche elektronische Licht des Bildschirms steht in keinem Bezug zum natürlichen Tag und Nachtrhythmus.
Für den Menschen wird das Empfinden der Zeit irrelevant.
Nachrichten aus unterschiedlichen Zeitzonen sind zu jeder Zeit verfügbar und vermitteln so ein Gefühl von permanenter Gegenwart.
Die Illusionen von direkter Nähe zu allen Geschehnissen steigert das Ungleichgewicht zwischen direkter und indirekter Information.
Die Filterung von gelieferten Informationen kann über den Bildschirm einen beschränkten Einblick in die Wirklichkeit vermitteln.
Größere zeitliche Zusammenhänge kann man dadurch nicht mehr erfassen und sie weichen der Simulation von Realität.
Früher wurden größere zeitliche Zusammenhänge in Form von Epochen universal festgehalten.
Heute sind die historischen Perioden nur noch in Monumenten sichtbar.
Die technische Periode lässt sich nicht mehr in klare Zeitabschnitte gliedern.

frei nach: Auflösung des Stadtbildes – Paul Virilio (1984)

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