POETIK DES RAUMES

von Marla Daldrup und Asli Demir


„Poetik des Raumes“ von Gaston Bachelard

Die Untersuchungen, die wir anhand unse­res Textes angestellt haben beziehen sich auf die Anziehungskraft für einen bestimm­ten, glücklichen Raum. 

Dieser bestimmte Raum kann von uns er­lebt worden sein, einerseits dadurch, dass wir uns beispielsweise eine gewisse Zeit in ihm aufgehalten haben. Aber auch, wenn dieser Raum einen imaginierten , sicheren Zufluchtsort für uns bildet. Jeder wirklich erlebte Raum trägt in sich schon das Wesen des Hauses. 

In einem erlebten Haus sind eine große Zahl unserer Erinnerungen untergebracht. Hat dieses einen Keller, Winkel, Flure, dann werden unsere Errinerungen immer charak­teristischer und vor allem Zeitloser. Es ist somit eine zeitlose Konsistenz der Errine­rungen. Unserer Errinerungen, und den Er­rinerungen anderer. 

„In seinen tausend Honigwaben speichert der Raum verdichtete Zeit“ sagt Bachelard. Dazu sei er da.

Wenn nun dieser Raum, in welchem wir un­seren Schutzwert aufbauen konnten, nicht mehr täglich erlebt wird, imaginieren wir uns Gewisse Werte dazu, welche bald unse­re dominierenden Werte werden. Denn das Sein, verwandelt in diesem Moment, seine ganze erlebte Zeit in Träumereien zurück. 

In unseren Träumereien und Träumen wer­den uns die Werte des erlebten Raumes deutlich gemacht, dort, wo das Nicht- Ich das Ich beruhigt, es beschützt. 

Wobei man jedoch die Träumereien von den Träumen abgrenzen muss. Träumereien sind bewusste Fantasievorstellungen, während Träume Bilder sind, die unser Unterbewusst­sein uns unkontrollierbar zeigt.

In den verschiedenen Schlupfwinkeln der einsamen Träumereien ist der Raum alles, denn die Zeit lebt nicht im Gedächtnis. Die exakte Zeit, die im Raum vergangen ist, wird nur durch lange Aufenthalte konkretisiert. Es ist schwer, eine Erinnerung in der Zeit zu lokalisieren, da diese unbeweglich und feststehend verräumlicht sind. Vor allem, um so ausgeprägter die Verräumlichung ist. Bei aller Gedanken über die Verzeit- und Verräumlichung, darf man nicht den Aspekt der Intimität außer Acht lassen. Diese ver­suchen wir nämlich unbewusst in unseren Träumereien im erlebten Raum wiederzufin­den. 

Eben zu diesen Zufluchtsorten, die wir erlebt haben, kehren wir in der Nacht, in unseren Träumen zurück. Auch in der Träumerei des Tages, in wel­cher wir die Errinerungen wiederfinden, „ist die Dachstube, […] klein und groß, warm und kühl, doch immer tröstend.“

Dieses Haus, dieser Raum wird mit allen sei­ten der Einbildungskraft erlebt und berei­chert sich immer wieder mit neuen Bildern aus der Erinnerung, und der imaginierten Zufluchtsstelle. 

„Und wenn alle Räume unserer Einsamkeit hinter uns zurückgeblieben sind, bleiben doch die Räume, wo wir Einsamkeit erlitten, genossen, […] herbeigesehen haben.“Nach all den Träumen, den Träumereien und den Erinnerungenen, kann man nun darauf Bezug nehmen, wie sich der Ausdruck des Raumes im Großen und im Kleinen darbie­tet. Im Drinnen und Draußen, wie er sich auf das Sein und das nicht Sein und das Ich und das Nicht- Ich bezieht.

-Erinnerungen im Haus

Ja und Nein – ohne es zu merken schafft man sich eine Basis von Bil­dern, welche von Gedanken des Positiven und Negativen beherrscht werden. 

Ebenso ist die Dialektik des Drinnen und Draußen nicht klar definiert, jeder zieht an­dere Schlussfolgerungen und Konsequen­zen. Der Logiker zeichnet geometrische Kreise, welche sich überschneiden, oder nicht.

Der Philiosoph denkt bei den Wörter Drin­nen und Draußen beispielsweise an Sein und Nichtsein.

Die Metaphysik als Grunddisziplin der Phi­losophie, versucht den Sinn und den Zweck eines Seins zu ergründen bzw. dessen Fun­damente zu beschreiben. Alles dort hat eine Ordnung, eine Geometrie – welche den Ge­danken des Drinnen und Draußen verräum­lichen will.

Wenn man nun versucht das Drinnen und das Draußen zu verräumlichen, dann wird eine Opposition der beiden Wörter geschaf­fen. Es beginnt damit, beide Wörter als ge­gensätzlich anzusehen und endet mit einer Entfremdung, einer Gegenüberstellung die­ser beiden Begriffe.

Diese verhärteten Versuche der bildlichen Vorstellung lassen sich auch in der Frage des Seins wiederfinden. Man kann nicht sagen, wo das Hauptgewicht des Daseins liegt, ob es im Da oder im Sein liegt. Diese Gedankenspirale ist ein Umlauf, eine Um­schreibung und Wiederkehr.Das Spiralförmige Sein wird nie seinen Mit­telpunkt erreichen: „Um vorwärts zu kom­men, drehe ich mich um mich selbst“. Jeden Ausdruck den man hervorbringt, hat das das Bedürfnis nach einem anderen Ausdruck.

Es existiert eine sogenannte Phänomenolo­gie des Runden. Wie es einige Dichter unserer Zeit und vergangener Zeit dargestellt haben. Sie besagt, das jedes Dasein in sich rund ist. Bezugnehmend auf die Metaphysik kann man die annäherungen der dichteri­schen und geometrischen Aussageziele mit­einander in Verbindung stellen. Wenn die Metaphysik sich kurzfassen würde, könnte sie eine Wahrheit des Seins darstellen.

Dieser Gedanke, dieses Phänomen mag außergewöhnlich sein, scheinbar aus dem nichts kommend. Jedoch enstand dieses Phänomen mit dem Merkmal der Ursprüng­lichkeit und hat somit eine Daseinsberech­tigung. 

Die Bilder, die Gedankengänge geben uns eine Lektion der Einsamkeit. Man braucht einen Augenblick, um sie sich anzueignen, sind jedoch ein weiteres Indiz für die starke Interpretation der Sprache. 

Mit dem Ausdruck in der Sprache wird die Dialektik des Geschlossenen und Offenen übertragen, durch eine Bedeutung schließt sie sich, durch den dichterischen Ausdruck öffnet sie sich.

„Wir müssen frei bleiben gegenüber jeder definierten Anschauung“ – Wenn man ver­sucht Ausdrücke zu finden, ist es gefährlich zu Tief an der Wurzel zu arbeiten. – um kei­nen Raum für geometrische Interpretatio­nen zu geben, muss man wieder zurück zur Ausdrucksunmittelbarkeit.

Wenn man nun versucht dem menschlichen Sein näher zu kommen, kann man nicht sa­gen, ob man sich in der Spirale vom Mittel­punkt hin – oder Weg bewegt.

„Der Mensch ist das halboffenstehende Sein“

Das Haus ist eine Verräumlichung unserer Errinerungen, während jeder Winkel auch die Errinerungen eines anderen beherber­gen kann.

Alle Zitate aus „Poetik des Raumes“ von Gas­ton Bachelard,1957


 

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