Stabile Bilder vs bewegte Bilder

Textresearch von Rafael Jerzy Chroboczek und Tristan Leon Scholz


 

Stabile Bilder werden zugunsten bewegter Bilder, welche sofort wieder verschwinden, ersetzt. – eine Performative Untersuchung zu Paul Virilio.

Paul Virilio macht sich in vorliegendem Text im ersten Sinne aus einem klaren architektonischen und zweiten Sinne aus einem weitaus tiefgründigeren und damit schwerwiegenderem Blickwinkel, Gedanken über das Auflösen oder völlige verschwinden von früher baulich klar definierten Grenzen von Großstädten.

„Die moderne Großstadt darf, wenn sie überhaupt eine geographische Position hat nicht mehr an der klaren Unterscheidung Stadt/Land, Zentrum/Peripherie festgemacht werden.“
Anfänglich werden Argumente wie das Aufkommen von Vorstädten, das erweiterte Transportwesen und die fortschreitende Entwicklung neuer Kommunikations- und Telemedien aufgezählt. Auf der anderen Seite werden auch die Veränderungen in der Materialwahl beim Städtebau bis zur immer größer werdenden Verwendung von Monitoren angeführt. „Architektonische Elemente schwimmen ziellos in einem elektronischen
Äther“, so Virilio.

Ähnlich wie die Materialien verlieren wir auch die Dauerhaftigkeit. Stabile Bilder werden zugunsten bewegter Bilder, welche sofort wieder verschwinden, ersetzt. Wir denken viel weniger über das Gezeigte nach, sondern konsumieren das Vorgesetzte lediglich, „des Zeitalters der Desinformation“ wie Virilio es beschreibt.

„Wenn im 19. Jahrhundert das Attraktionspotential der Stadt dem landwirtschaftlichen Raum seine kulturelle und gesellschaftliche Substanz entzogen hat, so hat Ende des 20. Jahrhunderts wiederum der städtische Raum seine geopolitische Relevanz ausschließlich an Systeme verloren, deren technologische Intensität unablässig die gesellschaftlichen
Strukturen zerstört“ Virilio als Gründer der Dromologie („Logik des Laufens“), einer Wissenschaft welche sich mit der Auswirkung von Geschwindigkeit auf die gesellschaftlichen Strukturen, den Raum und letztlich auch die Zeit auseinandersetzt, beschreibt den Bedeutungsverlust
vom fixen Ort. Diesen Prozess bezeichnet er auch als „Vorläufer der postindustriellen Entstädterung“. Letztlich geht Virilio noch einen Schritt weiter und stellt den Verlust des materiellen Raumes, als Folge von immer schneller werdenden Transportmechanismen und Telekommunikationsmedien dar.

Durch die optische Konzentration, im Interface des Bildschirms wird alles an einem Platz vereint, dieser ist nun nichts mehr als ein „ortloser Ort“. Zeit und Raum verschwimmen, der Raum welcher mit der Aufgabe behaftet war alles von einander zu trennen, wird dieser überdrüssig. Die Zeit wird zunehmend uninteressanter, während wir damit beschäftigt waren, unsere Zeit immer effizienter und effizienter zu nutzen, radierten wir den für uns „unwichtigen“ Raum einfach aus, und damit auch irgendwann die Zeit.
Virilio schreibt von „Bildröhre und Bildschirm, auf dem sich Schatten bewegen, welche die Gespenster einer im Verschwinden begriffenen Gemeinschaft vorstellen“. Die Simulation von Realität, welche wir unbewusst kreieren, ersetzt letztlich die unmittelbare Wahrnehmung von Realität. Der substantielle, dreidimensionale Raum nach Euklid, weicht einem konstruierten, künstlichen Raum der die Realität nur noch versucht zu kopieren anstatt diese wirklich zu sein. Wir schaffen somit, mithilfe fortschritzlicher Technologien nun mehr selbst eine künstliche Raumzeit.

 

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