Bewegung

Ein Interview von Andreas Kraus
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Leben mit dem Zweifel – Kunst als Beruf
Interview mit der ausgebildeten Schauspielerin und Hochschul-Dozentin Anna Möbus

 

Anna, du bist jetzt seit mehreren Jahren als ausgebildete Schauspielerin tätig. Wenn man heutzutage junge Mädchen nach ihrem Traumberuf befragt, hört man als Antwort oft Filmstar.

Wann war bei dir der Zeitpunkt, als du merktest, das könnte auch etwas für dich sein und wann kam es zu dem Entschluss, diesen Traum real werden zu lassen?

Tatsächlich war der Filmstar gar nicht so fern. Ich war damals ca. 10 Jahre und habe einen Spielfilm gesehen, in dem es natürlich auch einen Filmstar gab. Ich wollte danach nicht unbedingt Filmstar werden, doch hat mich von da an interessiert, wie es jemand schafft, der privat eine ganz andere Person ist, mir eine andere Figur, einen anderen Charakter „vorzuspielen“, den ich persönlich für „voll“ nehme. Ich war am Anfang eher erschrocken, doch weckte das bei mir die Neugierde, herauszufinden, wie sowas geht. Demnach, als ich 13 Jahre war, habe ich dann meinen ersten Theaterkurs belegt.

Wann war dann wirklich der Entschluss gefasst, aus dem Hobby einen Beruf zu machen?

Das entwickelte sich eigentlich die Jahre danach. Der Kurs machte mir wirklich Spaß und ich machte weiter, bis man dann in eine Phase kam, in der man überlegt, wie es jetzt weitergeht. Das Abitur war nahe, und für mich war eigentlich klar, dass ich das weitermachen würde. Etwas anderes kam gar nicht in Frage.

Spielten damals Zweifel bei dir oder bei Angehörigen bei dieser Entscheidung eine Rolle?

Was gab es seitens deiner Eltern für Reaktionen?

Ich glaube, dass meine Eltern das zu dem Zeitpunkt schon ahnten, da ich das so ehrgeizig verfolgt hatte. Für mich persönlich war klar, dass ich daran glaubte und es auch schaffen würde. Da ich in einer Künstlerfamilie groß geworden bin, war es vllt auch ein wenig einfacher. Meine Eltern haben mir damals viel Vertrauen geschenkt, als sie merkten, dass es wirklich mein Wille ist. Und das war ihnen auch wichtig.

Du bist die letzten Jahre von einem Casting zum nächsten gereist, und das in ganz Deutschland, immer in der Hoffnung auf ein neues Engagement. Nach dem Engagement ist vor dem Engagement. Inwiefern beeinflusst diese Rastlosigkeit und auch die Frage nach deinem nächsten Arbeitgeber deinen Idealismus, wann ist Berufung nur noch Beruf?

Natürlich ist es immer wieder hart und absolut rastlos. Aber bisher hatte ich wirklich das Glück, dass mich mein Glaube daran getragen hat. Bisher hat mich der Beruf immer wieder zu etwas Neuem geführt und zu neuen Kontakten, Menschen und Erfahrungen. Natürlich ist es auch frustrierend, jedoch muss man sich immer wieder vor Augen halten, was man wirklich will und warum man diesen Beruf ausübt. Das ist sehr sehr wichtig, denn wenn man

sich immer wieder klarmacht und das weiter verfolgt, dann hat es bisher bei mir dazu geführt, dass es doch irgendwie immer weiterging.

Gab es Momente, in denen du zweifeltest, in denen du kurz davor warst alles hinzuschmeißen und etwas „Vernünftiges“ mit Sicherheiten zu machen?

Den Moment gab es noch nicht, den Gedanken schon. Natürlich ist der Zweifel dein ständiger Begleiter, weil man immer an sich selber arbeitet auch an seiner eigenen Persönlichkeit. Bei allem, was an Kritik oder Zurückweisung dir entgegenkommt, was in diesem Beruf ca. 80 Prozent an Reaktionen ausmacht, benötigt man ein dickes Fell.

Gäbe es einen Plan B oder macht man sich darüber lieber keine Gedanken?

Doch es gibt einen Plan B, auch wenn man immer hofft, dass dieser nicht zu tragen kommt. Es gibt einen Plan, doch versuche ich mich in diesem Berufsfeld so breit aufzustellen, dass die Arbeitschancen bzw. –spanne so groß ist, wie es nur eben geht. Da gibt es zum Beispiel die Möglichkeit zu unterrichten neben dem eigentlichen Spielen.

Aber dennoch könnte ich mir vorstellen, sofern es dann sein müsste, noch einmal in eine ganz andere Richtung zu studieren.

Also ein „sich breites Aufstellen“ als Sicherheitsvorkehrung…

Auch. Natürlich finde ich es auch sehr spannend, weil sich dadurch eine Art Bogen schließt. Vom eigenen Spielen, sei es Theater oder Film, zum Unterrichten hin, das Gelernte im Prinzip weiter zugeben. Daneben gibt es auch noch weitere spannende Bereiche wie etwa Funk oder Synchronisation. Klar – je mehr Standbeine man aufbaut, umso größer ist die Sicherheit.

Dein Vater ist freischaffender Künstler. Kann man dadurch von Hause aus besser mit Unsicherheiten und Zweifel umgehen?

Ich glaube erst einmal schon. Deswegen war es auch Anfang bei mir ohne jegliche Zweifel oder Ängste klar, dass ich diesen Beruf ausüben werde, weil ich diese Situation von meinem Vater nicht anders kannte. Auf der anderen Seite, und dafür bin ich auch sehr dankbar, macht es einen sehr realistisch. Ich habe meinen Vater immer kämpfend erlebt. Ich habe schon früh erkannt, dass solch ein Leben hart sein kann.

Kannst du im Zweifeln auch etwas Positives erkennen?

Absolut. Mein Vater ist zum Beispiel ein Mensch, der immer zweifelt. An einem Tag zweifelt er, und am übernächsten ist dann alles wieder gut. Da muss man durch, das wird aber auch am Ende belohnt. Durch seinen Traum, seine Arbeit, hat er so vieles in seinem Leben verwirklicht, was ihm dann auch wieder totale Ruhe gegeben hat.

Schauspielerei bedeutet auch Verzicht bzw. Einschränkung – im Freundeskreis, in der Familie, in der Partnerschaft.

Du hast nun ein Engagement an einem etablierten Theater in deiner Heimatstadt Köln. Gleichzeitig dozierst du an der Alanus Hochschule nahe Köln. Sind diese Entscheidungen die Konsequenz dieses jahrelangen Verzichtes. Hattest du evtl. die Sorge, du könntest durch deine berufliche Rastlosigkeit das Ankommen im Privaten verpassen, oder ist es einfach ein weiterer Zwischenstopp in deiner Vita?

Das ist eine entscheidende Frage, das ist natürlich ein ganz großes Thema. Denn dieser Beruf und das Private harmonieren eher selten. Ich bin momentan sehr froh, hier in meiner Heimatstadt arbeiten zu können, schon allein, weil das ganze Reisen auf Dauer auch unheimlich anstrengend ist. Dennoch kann ich nicht sagen, dass das hier mein endgültiger Stopp ist. Auch weil ich momentan noch nicht an dem Punkt bin, eine Familie zu gründen.

Mit Sicherheit wird es weitergehen und wahrscheinlich auch aus Köln wieder weg, solange, bis man eine Entscheidung treffen muss. Nichts ist endgültig.

Dein persönlicher Tipp für Momente, in denen man an sich und seinem Tun zweifelt und dadurch seiner inneren Unruhe ausgeliefert ist. Gibt es da Techniken oder hast du bestimmte Rituale, um einfach mal zur Ruhe zu kommen?

Jeder muss für sich selber herausfinden, wie man zur Ruhe kommt. Das ist das A und O für mich in diesem Beruf. Das ist mir auch erst sehr spät bewusst geworden. Ruhe ist unglaublich wichtig. Ich muss mich auch regelmäßig zwingen, einmal einen Gang herunter zuschalten. Dazu fahre ich am liebsten ans Meer, sofern ich die Zeit dazu habe. Ansonsten viel spazieren gehen und sich dann auch immer wieder vor Augen halten, solange man zweifelt, ist auch etwas in Bewegung. Deshalb würd ich auch niemals behaupten, dass Zweifeln etwas Negatives ist. Was negativ und sehr gefährlich ist, ist Stillstand. Dem muss man sich immer bewusst sein.

Man muss sich immer fragen, wie sind Zweifel entstanden, was haben sie mit mir zu tun. Sind sie vielleicht durch eine andere Person entstanden oder durch eine Situation. Man muss dem Zweifel auf den Grund gehen und ihn technisch auseinandernehmen. Aus Zweifel kann immer wieder etwas Neues entstehen.

Somit kann man sagen… Zweifeln heißt Bewegung, Bewegung bedeutet Leben.

Könnte man das so behaupten?

Ja super, absolut.

Anna, ich bedanke mich bei dir für das Gespräch. Frohe Festtage!

Andreas Kraus I 11092878

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